Im Eselstall der Sprache

Tafel mit deutscher Schrift

Abseits der Standardsprache finden sich viele interessante Phänomene, die wir oft nicht einmal bemerken. Schimpfen zum Beispiel ist nicht nur ein verhaltensbiologischer Vorgang, sondern auch ein sprachlicher. Wer seinem Unmut Luft machen möchte, greift man nicht selten spontan auf Äußerungen zurück, die in der Situation des Ärgers eine neue Bedeutung erlangen. Die in manchen Fällen sogar aggressionsmindernd wirkende Nutzung von Schimpfwörtern mag auch ein Grund dafür sein, dass Menschen sich hin und wieder zu Beleidigungen hinreißen lassen. Wie genau aber wird ein Schimpfwort eigentlich definiert?

Es existiert ein Forschungsgebiet, das sich mit dieser Frage beschäftigt: die Malediktologie. Unter Einsatz von Methoden der Linguistik, der Soziologie und der Psychologie wird versucht, sich dem Phänomen des Schimpfens zu nähern.

Ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang sind Tabubrüche, also verbale Grenzüberschreitungen und Entgleisungen. Was standardsprachlichen Konventionen von Höflichkeit und Benehmen widerspricht, findet im Zuge von Wutausbrüchen bevorzugt Verwendung. Nicht nur im Deutschen besonders verbreitet und beliebt sind damit einhergehend Fäkalausdrücke und Begriffe, die mit Exkrementen, Unreinlichkeit und Ekel oder mit Sexualität zu tun haben. Ganz oben auf der Beliebtheitsliste der Beschimpfungen rangieren aber auch Tiernamen.

Die Artenvielfalt ist riesig. Sie reicht von Säugetieren über Vögel bis hin zu Insekten. Die Kombinationen, meistens mit Adjektiven oder Verben, sind in der Regel selbsterklärend: So wird zum Beispiel der Hund, der Herrchen und Frauchen doch immer treu ergeben ist, hundsgemein oder heimtückisch (und manchmal verreckt er sogar). Das Schwein, von dessen hoher Intelligenz wir wissen, wird nach Bedarf dreckig, arm oder fett —ähnlich wie die Kuh, die aber doch mit Vorliebe doof oder blöd ist. Die Sau im Besonderen ist faul, Ziegen meckern, Esel sind störrisch und trotzig. Besonders vielfältige Varianten bietet auch die Gattung der Vögel: Schnapsdrosseln schauen zu tief in Gläser, Schmutzfinken stapfen in den Matsch, Rabeneltern kümmern sich nicht um ihre Sprösslinge, (Aas-)Geier sind die Inkarnation von Gier und Geiz, Gans, Schnepfe und Pute gelten als dumm, Hühner dagegen neigen zu Panik und erheblicher Lautstärke, Gockel sind eitel vor Stolz, Enten sind lahm. Die Liste ließe sich noch ewig fortsetzen.

Beleidigungen versus Liebesbekundungen

Hund, Kuh, Schwein und Huhn werden gerne verunglimpft. Und das, obwohl manche von ihnen gar nicht so doof sind, wie wir Menschen annehmen. Wir reduzieren sie auf ihre vermeintlich verminderte Geistesfähigkeit und ihre uns oftmals unverständlichen Verhaltensweisen. Die in unseren Augen wilde und unberechenbare Trieb- und Tierhaftigkeit wird zum Gegensatz von (möchtegern-)friedfertiger Menschlichkeit. Jemandem das Menschsein abzusprechen, ist schon seit Jahrhunderten eine beliebte Art der Beleidigung. Was ist aber mit Bärchen oder Hasi? Hier finden Tiernamen plötzlich Verwendung als Kosewörter und haben eine liebevolle bis zärtliche Bedeutung. Sie drücken Intimität und Gefühle zwischen Liebenden aus und würden wohl keinesfalls als Beleidigungen oder Schimpfwörter aufgefasst. Hier erfolgt der Rückgriff auf die Tierwelt also in umgekehrter Intention, und aus aufgeblasenem Gockel oder dreckiger Ratte können blitzschnell Spatz und süße Maus werden. Damit, dass wir diesen Tieren eine gleichberechtigte Intelligenz zuschreiben, hat das allerdings wenig zu tun.

Hauptsache, nicht aggressiv?

Da die Malediktologie eine noch recht junge Wissenschaft ist, kamen die Forscher*innen diesem plötzlich umgekehrten Phänomen bisher nicht auf die Spur. So scheint es situationsabhängig zu sein, wann ein Tiername als Schimpfwort und wann er als harmloses Kosewort gebraucht wird. Ebenso spielen Körpersprache wie Gestik und Mimik, darüber hinaus der Tonfall eine Rolle. Nach der Definition von Reinhold Aman, Philologe und Herausgeber der Zeitschrift „Maledicta”, ist jedes Wort ein Schimpfwort, sobald es aggressiv verwendet wird. Dementsprechend ließe sich ein Schwein, einen Pinguin oder eine Qualle genauso im Schlafzimmer vorfinden wie in einem Auto, das einem gerade die Vorfahrt genommen hat. Rechtlich gesehen ist jedoch davon abzuraten, sich jedoch nicht auf diese Definition verlassen, vor allem gegenüber Anzugtragenden. Einen Polizisten, der mit einem Strafzettel für‘s Falschparken wedelt, freundlich mit den Worten „Du Esel” zu grüßen, könnte ziemlich teuer werden.

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