Sprachwandel – der weil-Satz im Fokus
Sprachwandel stellt ein viel gebrauchtes, viel erforschtes und sicher auch viel gehasstes Wort dar. Der Dativ, der dem Genitiv sein Tod ist, Anglizismen, die sich überall einschleichen, und Abkürzungen, die um sich greifen, begegnen uns jeden Tag.
Ein relativ aktuelles Phänomen, das Sprachpflegenden auf den Magen schlägt, ist der weil-Satz. Seit einiger Zeit wird dieser oft nicht mehr analog zu all den anderen Nebensätzen gebildet, sondern sein Verb nimmt eine veränderte Stellung ein, die der von Hauptsätzen entspricht. In Konstruktionen wie „Peter pflanzt schöne Blumen.” oder „Schöne Blumen pflanzt Peter.” steht das finite Verb – also das Verb, das die Personen- und Zeitform anzeigt – klassischerweise an der zweiten Stelle. In Nebensätzen sieht das ganz anders aus. Diese werden durch Wörtchen wie obwohl, damit und sodass eingeleitet. Als Subjunktionen bezeichnet, stellen sie eine Verbindung zum Hauptsatz her. Das Verb steht hier an der letzten Stelle.
Im Falle des weil-Satzes scheint sich nun eine Besonderheit einzuschleifen: In der gesprochenen Sprache kommt es mit steigender Häufigkeit dazu, dass das Verb plötzlich an die zweite Stelle wandert, obwohl es nicht dort hingehört. Aber ist das falsch? Sprachwandelpessimisten finden: Ja.
Tatsächlich liest sich ein weil-Satz mit Verbzweitstellung eher stirnrunzelnd: „Peter gießt seine Blumen, weil er sieht sie gerne blühen”. Der Nebensatz sieht auf einmal aus wie ein Hauptsatz, die alte Konvention ist nicht mehr zu erkennen. Solche Sätze Äußernden wird oft unterstellt, sie seien für die korrekte Satzbildung zu faul, und die neuen Medien hätten einen erschreckenden Einfluss auf sie und unsere Sprache. Es wurde und wird angenommen, das Wörtchen weil werde einfach mit dem begründungsliefernden denn verwechselt. Bei Sätzen, die durch denn eingeleitet werden, handelt es sich nicht um Neben-, sondern um Hauptsätze, das heißt, ihr Verb steht an zweiter Stelle. Aber liegt hier wirklich eine Verwechslung vor? Entgegen dieser Meinung fanden Sprachwissenschaftler*innen bezüglich des weil-Satzes allerhand heraus.
Festgestellt wurde: Unterschiedliche Verbstellungen sind mit unterschiedlichen Bedeutungen verknüpft. In der mündlichen Sprache weiß die sprechende Person also sehr wohl, in welchen Momenten sie das Verb an die zweite Stelle schiebt.
Statt einer Abflachung der Sprache, die allseits behauptet und ängstlich beobachtet wird, liegen also eine weitere Differenzierung und eine gesteigerte Komplexität in der Konstruktion von weil-Sätzen vor. So konnten drei verschiedene Typen von Nebensätzen mit weil ausgemacht werden: Zunächst gibt es das faktische weil, das uns allen als korrekt bekannt ist und für das auch alle Sprachpflegenden plädieren. Hier steht das Verb wie gehabt an letzter Stelle. Der Nebensatz gibt bezogen auf den Hauptsatz eine Antwort auf die Frage „Warum ist das so?”. Ein Beispiel: „Peter gießt seine Blumen, weil sie wachsen und gedeihen sollen.” Neben dieser Kategorie lässt sich das schlussfolgernde weil in Sätzen mit Verbzweitstellung vorfinden. Hier antwortet der weil-Satz auf die Frage „Woher weißt du das?” — „Peter hat seine Blumen gegossen, weil die Gießkanne steht noch draußen.” Mit dem weil wird kein faktischer Grund geliefert, sondern eine Begründung, die aus der Umgebung abgeleitet ist. Nebensätze mit sprechhandlungsbezogenem weil, in denen das Verb auch an zweiter Stelle steht, liefern schließlich die Begründung dafür, dass die vorangegangene Aussage mit dem Hauptsatz überhaupt getätigt wurde: „Nachher regnet es wahrscheinlich, weil das kam gestern im Wetterbericht.”
Der deutsche Nebensatz mit weil kann in seinen unkonventionellen Formen somit eine Menge von Gesprächsfunktionen übernehmen. Pessimistische Befürchtungen im Hinblick auf diese Entwicklung sind daher ungerechtfertigt. Schließlich befindet sich unsere Sprache in einem steten Wandel. Nicht nur grammatische Formen, sondern auch eine Vielzahl von Wörtern, die wir heute als altmodisch oder unpassend empfinden, waren früher Teil der allgegenwärtigen Alltagssprache und bewegten sich von dort aus zusehends an die Peripherie – und das, ohne, dass sie heute großartig vermisst werden, zumal sie durch neue Wörter oder Formen ersetzt wurden. Ob sich also auch der weil-Satz in seiner aktuell häufigen Verwendungsform irgendwann durchsetzen und seinen Weg in den Duden finden wird, ist noch offen. Wir sind gespannt.