Oft verkannt: das Semikolon

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Wenn das Komma einen Satz zu schwach und der Punkt einen Satz zu stark trennt, besteht noch die Möglichkeit, das Semikolon zu wählen. Umgangssprachlich als Strichpunkt bezeichnet, wird das aus Punkt und Komma zusammengesetzte Satzzeichen heute nur noch selten genutzt – zumindest in der Literatur und in der Presse. Vielfach eine Rolle spielt es dagegen beispielsweise als zwinkerndes Emoticon in der Onlinekommunikation und in der Tattooszene. Typografische Spielereien und Zitate aus literarischen Werken sind unter Tätowierten beliebt. Auch das Semikolon findet sich weltweit verstärkt auf der Haut. Dahinter steckt das Project Semicolon, eine US-stämmige Bewegung, die das Satzzeichen zugrunde legt, um an Depressionen, Angststörungen oder anderen psychischen Erkrankungen Leidenden Mut zu machen.

Menschen, die Selbstmordgedanken hegen oder bereits versucht haben, ihr Leben zu beenden, sollen mithilfe der symbolischen Bedeutung des Semikolontattoos wieder Hoffnung und Lebensfreude gewinnen. Ein*e Autor*in verwendet ein Semikolon, wenn er*sie einen Satz beenden könnte, sich aber dagegen entscheidet. Der Satz steht für das Leben, der*die Autor*in für den Betroffenen – so lautet die Botschaft des Projekts.

Anders als der Punkt oder das Komma ist das Semikolon kein Pflichtzeichen in Satzkonstruktionen; seine Verwendung hängt immer von der Intention der Autorin oder des Autors ab. Doch gerade für Texte mit komplexen Gedankengängen eignet es sich gut. Gleichrangige Sätze oder Wortgruppen lassen sich mit dem Semikolon verbinden. Zahlreiche Schreibende haben seine vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten noch nicht (wieder)entdeckt.

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