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Selber versus selbst? Was ist korrekt?

selber versus selbst

„Selber, selber lachen alle Kälber“ lautet ein weithin bekannter Reim. Eine Variante mit selbst existiert nicht. Was lässt sich als grammatikalisch richtig, was als stilistisch angemessen einordnen?

Lautet die von fundiertem Sprachwissen zeugende Form „Das wusste er selbst.“ oder „Das wusste er selber.“?

Was sagt der Duden?

Dem Duden lässt sich keine klare Antwort entnehmen. Ihm zufolge sind beide Varianten zulässig. Die Form selber wird allerdings als umgangssprachlich erachtet. Dass der oben aufgeführte Vers einen Kinderreim darstellt, scheint die Einstufung von selber als umgangssprachlich zu bestätigen. Somit hätte Recht, wer diesen Begriff in einer wissenschaftlichen Arbeit, die keine Umgangssprache aufweisen sollte, als Ausdrucksfehler vermerkt.

Welche Antwort bieten Lyrik und Literatur?

Wie steht es beispielsweise um die folgende Gedichtzeile?

„Man muss Geduld haben, gegen das Ungelöste im Herzen, und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben, wie verschlossene Stuben, und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind.“

Sie stammt aus der Feder von Rainer Maria Rilke. Die Verwendung von selbst hätte hier zu einer Veränderung des Versfußes und damit einhergehend des Klangs geführt.
Beispielhaft für einen solchen Zusammenhang lässt sich auch das „Märchen aus alten Zeiten“ anführen, das von dem Komponisten Silcher kurzerhand zu „uralten“ umgedichtet wurde, um es in den Takt zu pressen.

Ein vorsichtiges Fazit

Lösen lässt sich die Frage am ehesten, wenn man von der historischen Entwicklung ausgeht. Noch Luther verwendete die Begriffe selbst und selber ohne Unterschied. Die Einstufung des selber als Umgangssprache stellt eine moderne Entwicklung dar. Diese ist jedoch durchaus nicht abgeschlossen und gewiss nicht unumkehrbar. Die schwindende Autorität vorschreibender Grammatiken wie des Dudens und die Vermischung der Umgangs- mit der Hochsprache, insbesondere im Internet, könnten die stilistische Unterscheidung zwischen selber und selbst verwischen.
Der zu Anfang unserer Überlegungen aufgeführte Kinderreim deutet zumindest an: Wäre eine Variante mit selbst verfügbar, ließe sich die Unterscheidung in Umgangs- und Hochsprache hier als wenig sinnhaltig einschätzen. Der Ausdruck selbst ist gewiss nicht zu hochtrabend für Kinder, sondern lässt sich weniger gut in das Versmaß einfügen, das nicht nur Kinder und Lyriker*innen lieben.

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