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Gendern – ist das erforderlich, und wie funktioniert es?

Infos über das Gendern

Geschlechtergerechte Sprache wird immer wieder rege diskutiert. Ziel des Genderns ist es, eine Gleichbehandlung aller Geschlechter in gesprochener und geschriebener Sprache zum Ausdruck zu bringen und zu fördern. Hier geht es nicht nur um Inklusion, sondern insbesondere auch um das Sichtbarmachen. In Deutschland besteht keine Genderpflicht, obgleich das Anwenden einer geschlechtergerechten Sprache insbesondere in der öffentlichen Kommunikation empfohlen wird.

Wir haben uns mit dem Thema auseinandergesetzt und möchten ihnen heute Pro- und Kontraargumente aufzeigen, die es Ihnen ermöglichen, eine fundierte Entscheidung hinsichtlich des Einsatzes zu treffen.

Pro Gendern

Bewusstmachen von Geschlechtsvielfalt

Wurde im deutschsprachigen Raum über Personengruppen gesprochen, kam lange Zeit meist das generische Maskulinum zur Anwendung, zum Beispiel Lehrer, Schüler oder Koch. Ein Argument für gendergerechte Sprache besteht darin, dass die generischen Formulierungen aus einer Zeit stammen, in der Personen nicht männlichen Geschlechts nur eingeschränkte Rechte hatten und beispielsweise nicht arbeiten durften. Sprache entwickelt sich stetig, und sie sollte auch bei der Gleichberechtigung nicht stehenbleiben. Das generische Maskulinum kann nicht männliche Personen diskriminieren, sodass es zunehmend stark kritisiert wird. Aber hier sind Frauen und diverse Personen doch mitgemeint – so ein häufig zu hörendes Argument von Personen, die es nutzen.

Zahlreiche Studien ergaben: Auch wenn alle Personen mitgemeint sind, werden sie häufig nicht mitgehört. Das Ergebnis ist: Meist ergibt sich eine Assoziation mit männlichen Personen (siehe zum Beispiel Heise, 2000). Im Rahmen von Versuchsreihen mit Grundschulkindern wurde beispielsweise herausgefunden, dass sich bei der Vorstellung verschiedener Berufe in gendergerechter Sprache erheblich mehr Mädchen trauten, in Zukunft in klassisch männlichen Berufen zu arbeiten als im Kontext der Verwendung des generischen Maskulinums.

Abbilden der gesellschaftliche Realität

In der Gesellschaft existieren verschiedene Geschlechtsidentitäten gleichberechtigt. Vom generischen Maskulinum fühlen sich immer weniger Frauen und nichtbinäre Menschen angesprochen. Dies hat den folgenden Grund: Sprache lässt Bilder im Kopf entstehen. Ist von Chef oder Kunde die Rede, sind auch unsere Gedanken männlich geprägt. Gendergerechte Sprache bricht diese stereotypen Bilder auf und trägt zur Gleichstellung aller Geschlechter bei.

Bedeutsame Botschaft

Wer von seinem Unternehmen behaupten kann, dass die Türen für alle offen stehen, darf das Ganze auch mit Worten zum Ausdruck bringen. Gendergerechte Sprache kann die Unternehmenswerte stärken und zudem ein Statement setzen. Große Marken wie LinkedIn, die aktiv gendern, beweisen, dass das Thema in der Unternehmenskommunikation angekommen ist. Wer darauf reagiert und sich positioniert, zeigt sich am Puls der Zeit und macht deutlich, dass Inklusion in Taten und Worten gelebt wird.

Sprachwandel mitgestalten

Sprache entwickelt sich und bildet ab, was in der Gesellschaft präsent ist. Je öfter wir über etwas reden, desto vertrauter werden wir damit und desto größer ist die Chance, dass es Einzug in den Sprachgebrauch hält. Unser Wortschatz hat sich in den letzten Jahrzehnten stetig verändert, und in jede Ausgabe des Dudens wurden neue Begriffe aufgenommen, während alte wegfielen. So ist die Vorführdame nicht mehr enthalten, wohingegen das Boostern hinzukam.

Kontra Gendern

Ausgrenzung durch Komplexität

In der deutschen Sprache gibt es drei grammatische Geschlechter: der, die und das. Es wird zudem zwischen dem grammatischen Geschlecht (Genus) und dem biologischen Geschlecht (Sexus) differenziert. Wird hier das generische Maskulinum aufgehoben, stört das nicht nur den Lesefluss und das Sprachbild, die genderangepassten Formulierungen gehen auch auf Kosten von Kürze und Effizienz, beispielsweise in öffentlichen Dokumenten.

Inklusion sollte für alle stattfinden: Durch eine zunehmende Komplexität entwickelt sich die Sprache möglicherweise in Richtung der Gleichberechtigung, grenzt aber Menschen aus, die auf einfache Sprache angewiesen sind.

Die Debatte um geschlechtergerechte Sprache hat auch andere Sprachen erreicht:

Englisch

Durch das fehlende grammatische Geschlecht stellen sich viele Probleme nicht. So wurde die Berufsbezeichnung policeman durch officer ersetzt. Für nichtbinäre Personen werden das Pronomen they und die Anredeform Mx verwendet.

Französisch

Das Geschlecht ist hier in allen Adjektiven, Verben und Pronomen inbegriffen. Stand heute ist jedoch inklusive Sprache in amtlichen Texten nicht erlaubt. Gendergerechte Formen existieren, beispielsweise les étudiante-s, étudiantES und étudiant.e.s. (die Schüler*innen), sind aber noch nicht weit verbreitet.

Italienisch

Da es ebenfalls kein Neutrum gibt und die Standardmehrzahlform männlich ist, bestehen verschiedene Möglichkeiten, beispielsweise tutt*i, tutti/e (alle). Die Formen haben aber experimentellen Charakter und sind (noch) nicht etabliert.

Spanisch

Weibliche Alternativformen wie la jefa (die Chefin) werden immer geläufiger, ebenso Formen wie todes (alle), die nichtbinäre Personen einschließen.

Fehlende Klarheit in der Umsetzung

Verantwortlich für die Festsetzung offizieller Regeln ist der Rat für deutsche Rechtschreibung. Dieser äußert sich allerdings zurückhaltend: In einer Empfehlung, veröffentlicht im März 2021, wird für das Gebrauchen geschlechtergerechter Sprache und einen sensiblen Umgang mit allen Menschen plädiert. Zugleich wurde entschieden, keine Kurzformen in das Regelwerk aufzunehmen und die Sprachentwicklung weiter zu beobachten. Der folgende Punkt macht ersichtlich, dass dies einen triftigen Grund hat.

Grammatikalische Probleme

Kurzformen wie der Genderstern oder der Doppelpunkt bergen auf grammatikalischer Ebene Herausforderungen. Ein Sonderzeichen im Text ist formell gesehen nicht korrekt. Zudem darf gemäß dem amtlichen Regelwerk die männliche Endung nicht wegfallen, wie es sich etwa im Falle von Kund*innen beobachten lässt. Dieses Phänomen verletzt das Sprachbewusstsein vieler Menschen.

Konklusion

Gendern ist keine Pflichtübung. Im privaten Umfeld kann es noch ungewohnt und sein und für Irritation sorgen. Demgegenüber ist der vielfach vertretene Wunsch nach der Verwendung geschlechtergerechter Sprache im öffentlichen Raum nachvollziehbar. Sprachentwicklung birgt Chancen. Ein Aufzwingen ist zwar nicht sinnvoll, jedoch kann es lohnen, sie zum Anlass für ein kritisches Hinterfragen der eigenen Formulierungsweisen zu nehmen.

Wie lässt sich eine geschlechtergerechte Sprache nun angemessen umsetzen?

Für das Praktizieren einer inklusiven Sprache bestehen verschiedene Möglichkeiten. Amtlich anerkannte Schreibformen stellen die folgenden dar:

  • Binnen-I: LehrerInnen,
  • Doppelpunkt: Lehrer:innen,
  • Gender-Gap: Lehrer_innen,
  • Genderstern: Lehrer*innen und
  • Schrägstrich: Lehrer/innen.

Nicht erwünscht sind Klammern, mit der Begründung, dass in Klammern stehende Inhalte als weniger bedeutsam wahrgenommen werden. Zudem gelten sie mitunter als unterbrechend und das Gesamtbild störend.

Alternativen ergeben sich mit den nachstehenden Vorgehensweisen:

  • Doppelnennungen: Lehrerinnen und Lehrer,
  • geschlechtsneutrale Begriffe: Lehrkräfte,
  • konkrete Benennung: der Lehrer Herr Tafel und die Lehrerin Frau Smartboard sowie
  • Partizipien: lehrende Person.

Sprachliche Gleichbehandlung muss nicht kompliziert sein. Oft genügen simple Formulierungen und ein bisschen Ideenreichtum, um auf nicht gesicherte und störend wirkende Varianten zu verzichten.

Referenz

Heise, Elke (2000). Sind Frauen mitgemeint? Eine empirische Untersuchung zum Verständnis des generischen Maskulinums und seiner Alternativen. Sprache und Kognition, 19, 3–13. https://doi.org/10.1024//0253-4533.19.12.3

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