Erst testlesen und dann lektorieren lassen oder vice versa?
Seiteninhalt
Das Einholen von Feedback ist ein entscheidender Schritt des Schreibprozesses. Wenn Sie planen, ein Buch zu veröffentlichen, entweder im Eigenverlag oder bei einem großen Verlag, sollten Sie Ihr Manuskript vorab testlesen lassen. In verschiedenen Facebookgruppen und auf Twitter fragen Literaturschaffende oft, in welcher Reihenfolge es vorzugehen gilt: Soll das Manuskript zuerst an Testleserinnen und Testleser oder zuerst an das Lektorat geschickt werden?
Was sind die Gründe dafür?
Dieser Frage liegt die Sorge zugrunde, dass die Familie, Freundinnen und Freunde sowie Bekannte ein Manuskript erhalten, das noch nicht fertig ist. Sie möchten ihnen keinen Text zumuten, der noch Schachtelsätze und Rechtschreibfehler enthält oder dessen Handlung nicht ganz schlüssig daherkommt. Aber so ist das nun mal beim Testlesen: Sie wollen auf Ungereimtheiten hingewiesen werden. Ihre Testleserinnen und Testleser sollten Ihnen ihre Eindrücke mitteilen. Wesentlich ist deren unmittelbare Reaktion – freundlich, hilfsbereit, aber auch kritisch. Nur das bringt Sie voran.
Weshalb erst testlesen und dann lektorieren lassen?
Wir empfehlen Ihnen, Ihr Manuskript zunächst testlesen zu lassen und es dann dem Lektorat zukommen zu lassen. Das semiprofessionelle Korrekturlesen sollte auf jeden Fall vor dem professionellen Endlektorat stattfinden, denn wenn Sie in umgekehrter Reihenfolge vorgehen, ergeben sich mit Sicherheit wieder neue Fehler.
Tipps für das Korrekturlesen durch Testleserinnen und Testleser
Damit Sie das Feedback und die Korrekturen Ihrer Testleserinnen und Testleser optimal nutzen können, sollten Sie ihnen deutlich machen, auf was es besonders zu achten gilt. Es ist unmöglich, auf Rechtschreibung, Grammatik, Stil und Handlung gleichzeitig zu achten. Und Sie können nicht davon ausgehen, dass Ihre Freundinnen und Freunde oder Bekannten Ihren Text mehrmals lesen. Dies überschreitet den Rahmen eines Freundschaftsdiensts bei Weitem. Es ist hingegen genau das, was professionelle Lektorinnen und Lektoren tun: Sie lesen Ihren Text mindestens zweimal, möglicherweise viel öfter, können und müssen daher viel mehr beachten.
Auf die folgenden Punkte achten wir, wenn wir Ihnen ein Feedback zu Ihrem Werk geben.
Gegenstand der Erzählung
- Passen das Thema und die gewählte Textsorte zusammen?
- Ist die Handlung der Geschichte für die Lesenden interessant?
- Auf welche Lesergruppe ist Ihr Text ausgerichtet? Sind Sie sich darüber im Klaren?
- Welches Publikum wollen Sie erreichen? Welches Publikum hatten Sie im Sinn, als Sie geschrieben haben?
Plot
- Ist die Struktur verständlich?
- Ist die gewählte Einteilung (Kapitel, Abschnitte usw.) angemessen? Wird sie konsequent eingehalten?
Narrative Perspektive
- Sind der gewählte Erzählstil (auktorial oder persönlich) und die Erzählweise (Ich-Erzähler, männlicher Erzähler, weibliche Erzählerin) dem Thema angemessen?
- Werden sie durchgängig beachtet?
Charaktere
- Werden die einzelnen Charaktere angemessen eingeführt und ausreichend behandelt?
- Haben sie eine Chance, sich zu entwickeln?
- Wird ihnen entsprechend ihrer Bedeutung genügend Platz eingeräumt?
- Was ist die Gesamtwirkung des Ensembles von Figuren?
Umgang mit Ort und Zeit
- Ist der Ort beziehungsweise sind die Orte, an dem oder an denen sich die Handlung abspielt, angemessen beschrieben? Können die Lesenden der Geschichte gut folgen?
- Passt die gewählte Zeit?
- Wird diese durchgehend beibehalten, oder sind Variationen in der Zeitform ausreichend nachvollziehbar?
- Ist die Handlung der Geschichte chronologisch aufgebaut?
- Sind Zeitsprünge verständlich?
- Wenn sich die Handlung auf verschiedenen Zeitebenen abspielt, sind diese ausreichend klar? Können sich die Lesenden leicht zurechtfinden?
Sprachliche Mittel
- Wie wird die Geschichte erzählt?
- Wie sind die Sätze aufgebaut?
- Wie ist die Wortwahl?
- Wenn Ihre Geschichte reich an Bildern ist, sind die Bilder genau definiert, sind sie konsistent?
Weitere bedeutende Fragen
- Wie sind Sie als Autorin oder Autor mit den einzelnen Analysekategorien in Ihrem Text umgegangen – eher spielerisch, frei und offen oder eher starr und geordnet? Entspricht dies der Handlung der Geschichte?
- Wie haben Sie mit Spannung und Entspannung gearbeitet?
- Wie liest sich der Text im Allgemeinen? Ist er fließend zu erlesen?
- Wie kann er optimiert werden?
Warum wählen Sie nicht aus dieser Liste das aus, was Sie für wichtig halten, und teilen es den Testlesenden so klar wie möglich mit?
Der weitere Prozess
Sobald Sie ein Feedback von Ihren Testleserinnen und Testlesern erhalten, verarbeiten Sie es in Ihrem Text. Und erst im Anschluss folgt das Lektorat. Das bedeutet, dass Sie erst dann einen Kostenvoranschlag einholen sollten, wenn Sie das Feedback berücksichtigt haben. Bestenfalls hat sich die Qualität Ihres Manuskripts verbessert, was den Aufwand und die Kosten für die Endredaktion erheblich reduzieren kann.